„Übertragung von Sprache und Musik in größtem Maßstab““
Zur Einweihung des Deutschen Museums in München am 7.5.1925 präsentiert Siemens & Halske die ganze Palette an elektroakustischer Spitzentechnologie aus der hauseigenen Forschungsabteilung: Blatthaller, Bandlautsprecher, Bändchenmikrofon, Hochfrequenz-Kondensatormikrofon. „Es ist dieses Fest eine Art Markstein in der technischen Entwicklung der elektrischen Übertragung von Musik und Rede an einen großen Kreis von Menschen, in einer Vollkommenheit, wie sie bisher noch nicht erreicht war“.
„Die Musik- und Sprachverteilungsanlage bei der Einweihungsfeier des Deutschen Museums“
„Anläßlich der Einweihung des Deutschen Museums in München am 7. V. 1925 fand ein Festessen statt, bei welchem rd 1600 Gäste in zwei Räumen von 70 m Länge und 17 bzw. 23 m Breite untergebracht waren, die an ihren Schmalseiten rechteckig zusammenstießen (Abb. 1). Die rasche und glatte Versorgung einer solchen Menge von Menschen stellte nicht geringe Anforderungen an das Organisationstalent der Veranstalter, und besonders die Frage, wie die zu haltenden Reden und die geplanten musikalischen Vorführungen allen Teilnehmern verständlich gemacht werden sollten, erforderte eine besondere technische Lösung. Dieses Problem der Verteilung des Schalles für eine so große Zahl von Menschen unter relativ so schwierigen Verhältnissen trat wohl zum ersten Male in solchem Umfang auf, und O. von Miller stellte an die Technik die Aufgabe, auch diese Frage bei dieser Gelegenheit prinzipiell zu lösen. Die hierfür verwendeten Lautsprecher sind im Forschungslaboratorium des Siemenskonzerns, Leiter Prof. Dr. H. Gerdien, entwickelt worden, und mit ihnen ist, wie wohl gesagt werden darf, die Aufgabe, zu deren Lösung die Vorarbeiten schon seit einigen Jahren eingeleitet waren, befriedigend gelöst. Es ist dieses Fest eine Art Markstein in der technischen Entwicklung der elektrischen Übertragung von Musik und Rede an einen großen Kreis von Menschen, in einer Vollkommenheit, wie sie bisher noch nicht erreicht war, und es soll deshalb kurz über die neuen Einrichtungen berichtet werden. Von Verbesserungen und Änderungen, die die Erfahrungen dieses Festes anregten, soll weiter unten die Rede sein. Die musikalischen Aufführungen selbst fanden im Orgelraum des Museums statt, der einen Stock tiefer liegt als der Festraum.
I. Die Apparatur im Orgelraum.
Als Schallempfänger für die im Festsaal gehaltenen Reden diente das seit längerer Zeit bekannte Bändchenmikrophon, während für die Musik ein von H. Riegger entwickeltes Kondensatormikrophon Verwendung fand (Abb. 2). […] Wird das Mikrophon als Kondensator in einen Schwingungskreis gesetzt, der mit konstanter Frequenz erregt wird, so ändert sich der Strom in diesem Kreis bei einer Kapazitätsänderung, bzw. einer entsprechenden Änderung der Eigenwellenlänge, nach der Resonanzkurve des Kreises (Abb. 3). Ist die Frequenz so eingestellt, daß bei nicht erregter Membran auf halber Höhe der Resonanzkurve gearbeitet wird (JR bzw. λR in Abb. 3), so schwankt der Hochfrequenzstrom bei Besprechung des Mikrophons sehr angenähert linear mit der Druckschwankung des Mikrophons. […]
Es waren zwei Endverstärker aufgebaut und an jeden drei bzw. vier Lautsprecher angeschlossen. […] Die Verteilung der Lautsprecher im Saal zeigt Abb. 1.II. Die Lautsprecher.
Als Lautsprecher im Festsaal diente der von H. Riegger angegebene ‚Blatthaller‘. Er besteht aus einer 0,5 mm dicken Pertinaxplatte, auf der mäanderförmig ein Kupferband vom Gesamtwiderstand 0,05 Ω hin- und herläuft, das vom Telephonstrom durchflossen wird (Abb. 7). Das Gesamtgewicht ist 50 g. Mit diesem hochkant gestellten Kupferband greift die Membran zwischen die Pole eines konstant erregten Magnetsystems (Abb. 8). Die Spaltbreite zwischen zwei Polschuhen ist 1,6 mm, die Feldstärke im Spalt 7000 bis 8000 Gauß. Der Leistungsverbrauch der Wicklung beträgt 50 bis 100 W. Die Membran ist in einem mit Sammet ausgepolsterten Rahmen gefaßt. Sie hat infolge ihrer großen inneren Steifigkeit keine Eigenfrequenz und bewegt sich wie ein starrer Kolben geringer Masse unter dem Einfluß der verschiebenden Kräfte zwischen den Telephonströmen in dem Kupferband und dem konstanten Magnetfeld. Das ganze wird von einem schweren starren Holzrahmen umfaßt, um die akustische Strahlung bei den geringen Frequenzen zu erhöhen. Wie die Versuche gezeigt haben, ist die Tonwiedergabe bei diesem Lautsprecher ganz außerordentlich vollkommen.
Es waren sämtliche Blatthaller in Betrieb. Aus Sicherheitsgründen waren die Haller vermascht an die Endverstärker angeschlossen, wie Abb. 1 zeigt. Es zeigten sich keinerlei Schwierigkeiten hinsichtlich akustischer Interferenz im Festraum.Es wurden mit Hilfe der beschriebenen Einrichtung vorgetragen: 1. Orgel. Es zeigte sich dabei, daß die Ausgangsenergie noch nicht hinreichte, um das Überwältigende der Orgelklänge zu erreichen. Es kann nach den Versuchen gesagt werden, daß etwa 200 bis 500 Watt nötig sind, um die Tonstärke der Orgel zu erreichen.
2. Ein Streichquartett.
3. Ein Vokalquartett.
4. Ein Bläserensemble (13 Bläser).
5. Konzertflügel.
Eine gewisse Beeinträchtigung der Wiedergabe war verursacht, weil es nicht möglich war, die Musikerzeugung in einem Raum mit allseits gedämpften Wänden vorzunehmen, sondern in dem normalen großen Saal für Musikinstrumente. Wegen der außerordentlichen Schwankungen der akustischen Energie vom Pianissimo bis zum Fortissimo darf das Mikrophon nicht zu nahe der Musikquelle stehen. Die Wiedergabe der Musikstücke erfolgte abgesehen von den obigen Mängeln außerordentlich vollkommen und naturgetreu; auch die Sprachübertragung der Redner war ganz ausgezeichnet. Bei einigen Musikstücken schien es, als ob es noch erwünscht sei, die Eigenfrequenz des Mikrophons noch höher zu legen, um auch den feinsten Schattierungen der Töne gerecht zu werden.
Außerdem erfolgte die Fernleitung der Musikdarbietungen und der Reden zu einigen Lautsprechern, die auf den Propyläen angebracht waren. Es befanden sich dort zwei Bändchenlautsprecher der bekannten Art und zwei Blatthaller. Die Wiedergabe der Sprache war nach Qualität und Intensität befriedigend. Auf dem Königsplatz zwischen den Gallerien [sic] hörten Tausende die Reden, und bis zum Obelisk auf dem Karolinenplatz, etwa 400 m entfernt, waren die Redner zu verstehen und jeder seiner Individualität nach auch sofort zu erkennen.Die Aufgabe der Übertragung von Musik an große Menschenmengen in einer Weise, die auch musikalisch künstlerischen Anforderungen in hohem Grade gerecht wird, ist hier durch das wissenschaftliche Laboratorium des Siemenskonzerns zum ersten Male praktisch in großem Maßstabe gelöst worden. Es war gewissermaßen eine erste große Feuerprobe, die ehrenvoll bestanden wurde, und auf deren Erfahrungen fußend weiter gearbeitet wird.“ [Schumann in: ETZ 10 1926, 294f.]