Im November 1928 berichtet der Illustrierte Beobachter, die ‚Bild-Zeitung‘ der Nationalsozialisten, in einem Fotobericht mit dem Titel „Hitler in Berlin“ über Hitlers erste Massenansprache mittels einer elektroakustischen Beschallungsanlage:
„Die erste öffentliche Hitler-Versammlung in Berlin war unstreitig die größte und eindrucksvollste Kundgebung, die der Nationalsozialismus seit seinem Bestehen zu verzeichnen hat. Und der Berliner Sportpalast, der größte Saalbau des Deutschen Reiches, dessen lichte Spannweite von 43m in einer Höhe von 28m rund 2300qm umfaßt, war sicher der gewaltigste Rahmen, den diese Massenversammlung finden konnte.
Selbst die dem Nationalsozialismus feindlich gesinnte Berliner Asphaltpresse spricht von einer Besucherzahl von über 15000 Menschen. Tausende verlangten vergeblich Einlaß. Die brausenden Beifallschöre und die donnernde Melodie des Jubels der Massen hat bewiesen, daß der Nationalsozialismus in Berlin fest Fuß gefaßt hat und durch nichts mehr in seinem Zug aufgehalten werden kann.“ [IB 27 1928, 336]
Auskunft über das verwendete elektroakustische Equipment gibt der Text in seiner für die nationalsozialistische Illustrierte üblichen knappen Form nicht, Lautsprecher sind auf den abgedruckten Fotos nicht zu erkennen. Daß Hitler sich erstmals einer Lautsprecheranlage bedient, geht lediglich aus einer Bildunterschrift hervor, die damit das einzige elektrotechnisch affizierte Foto der insgesamt acht Fotos des Berichts sinnfällig kommentiert. Abgebildet ist rechts ein auf einem Dreibeinständer montiertes Mikrofon, dessen runde Form und Größe vielleicht auf ein Mehrkammern-Kohlemikrofon hinweisen (ein 1928 allerdings bereits veraltetes System). Offenbar ist diesem ‚Schallfänger‘ eine Art Trichter aufgesetzt, um dem Mikrofon eine erhöhte Empfindlichkeit in Einsprechrichtung zu verleihen bzw. es gegen reflektierte oder vom Lautsprecher abgestrahlte Schallschwingungen abzuschirmen, um also die Gefahr akustischer Rückkopplungen zu verringern.
Verwunderlich ist nicht, daß der Bildbericht auf technische Details verzichtet. Im Zusammenhang mit dem hohen Stellenwert der mündlichen Rede gegenüber dem schriftlichen Wort, wie es Hitler in seinem schriftlichen „Mein Kampf“ proklamiert hatte, ist aber zumindest erwähnenswert, daß auf die nun elektroakustisch potenzierten Möglichkeiten der Massenansprache nicht hingewiesen wird, zumal der Illustrierte Beobachter einige Monate zuvor in einer Art Leitartikel selbst „Die Gewalt der Rede“ hervorhob, dort freilich noch auf natürliche Redetechniken begrenzt:
„Die Gewalt der Rede“
„Im zweiten Band seines programmatischen Werkes ‚Mein Kampf‘ schreibt Adolf Hitler: ‚Alle wirklich großen, historischen Umwälzungen sind nicht durch das geschriebene Wort herbeigeführt, sondern höchstens von ihm begleitet worden.‘
Man kann aber getrost noch weitergehen und sagen: ‚Alle großen historischen Umwälzungen auf dieser Welt – politische und religiöse – sind eingeleitet worden durch die Macht des gesprochenen Wortes, durch die Gewalt der Rede.‘ […]
Daß es dereinst aber auch wiederum einzig und allein die Gewalt der Rede gottbegnadeter, fanatischer ‚Agitatoren‘ sein wird, die aus Deutschland wieder die Heimat der Deutschen und den Hort der Freiheit machen wird, beweist am besten die Angst der Machthaber von heute vor der Wirkung einer Hitlerrede, die sie mehr fürchten als die wildesten Leitartikel der radikalsten Tintenpäpste sämtlicher nationaler Zeitungen des deutschen Sprachgebietes.“ [IB 2 1928, 18f.]
„[…] In der neueren Zeit sind es nur die Engländer und Romanen, die die Unerläßlichkeit der Redekunst und die Bedeutung der Redegewalt erkannt haben: Die Heimat Gutenbergs, das Land der Bücher, das Reich der Brillen und Dichter und Denker dagegen, Deutschland, kennt von Haus aus keine Redner. Hier gilt günstigenfalls noch das auswendig gelernte Deklamieren. Der freien Redegabe aber steht man gegenüber, als wäre sie nur der billige technische Trick des Jahrmarkthausierers […]. In dünkelhaftem, akademischem Snobismus steht der sogenannte gebildete Deutsche dem geborenen Redner gegenüber und spricht geringschätzig von dem ‚Agitator‘.“ [IB 2 1928, 18f.]