Für den ersten „Tag der nationalen Arbeit“ 1933 werden auf dem Tempelhofer Feld zahlreiche Telefunken-Großlautsprecher mit Kurztrichtern gleichmäßig verteilt aufgestellt. Ihre Form ist stilisiert in Abbildung 30 aus [Wigge 1934] dargestellt. Die Zeichnung könnte der Praxis auf dem Tempelhofer Feld 1933 abgeschaut sein: Ein Monteur in Arbeitskleidung befestigt die Kurztrichter, während Ingenieure die Anschlüsse kontrollieren; be- und überwacht wird die Arbeit von der uniformierten Staatsmacht als Auftraggeber der Installation.
Die Unterschrift „Der Aufbau eines gerichteten Pilzlautsprechers“ zu dieser Zeichnung ist entweder ein Irrtum oder auf einen noch undifferenzierten, allgemeinen Sprachgebrauch des Begriffs „Pilzlautsprecher“ zurückzuführen, der konkret die ab 1934 von Telefunken benutzten Rundstrahler in ihrer ersten Bauform bezeichnet (dargestellt z. B. in Abb. 31 in [Wigge 1934], dort korrekt bezeichnet). Vielleicht läßt sich hiermit auch der Datierungsfehler im Ergänzungsband des Großen Brockhaus‘ (1935, „Lautsprecher“) erklären, in dem der erste Einsatz von Telefunken-Pilzlautsprechern auf den 1. Mai 1933 festgesetzt wird, obwohl auf dem Tempelhofer Feld im Jahr 1933 von Telefunken noch Kurztrichter verwendet wurden, wie sie in der Zeichnung oben zu sehen sind.
Zum enorm aufwendigen Aufbau der „Großübertragungsanlage“ und zu den dennoch aufgetretenen akustischen Problemen siehe: Elektroakustisches Engagement für die Nationalsozialisten.
Nationalsozialistische Schilderung des 1. Mai 1933
„Drei große Feiern fallen in das erste Vierteljahr der deutschen Revolution: der Fackelzug der Nacht vom 30. Januar, als die braunen Kolonnen Adolf Hitlers besitzergreifend in das Regierungsviertel einmarschierten, um dem Reichspräsidenten und dem neuen Reichskanzler zu huldigen; der 21. März, der Tag von Potsdam, der die Arbeiten des Reichstags am Grabe Friedrichs des Großen eröffnete, mit den Ansprachen Hindenburgs und Hitlers beim Staatsakt in der Garnisonkirche und der unbeschreiblichen Begeisterung der Hunderttausende; und der Tag der nationalen Arbeit, die unvergeßliche Millionenheerschau auf dem Tempelhofer Feld im Zeichen des siegreichen Frühlings und der siegreichen Revolution. […]“
„Die Vorbereitungen im einzelnen lagen fast ausschließlich in der Hand des Propagandaministeriums, dessen Leiter, Reichsminister Dr. Goebbels, ja schon früher oft genug Gelegenheit gehabt hat, seine Fähigkeiten zur Mobilisierung des Volkes und zur Veranstaltung von Massenaufmärschen unter Beweis zu stellen. Diesmal waren indessen Aufgaben zu lösen, für die es auf der ganzen Welt, sogar in Sowjet-Rußland, Italien oder Amerika, noch keine Vergleiche gab. Die Technischen Vorarbeiten der Kundgebung auf dem Tempelhofer Feld übernahm zum größten Teil die Stadt Berlin, die das Fest verwaltungsmäßig organisierte. […]“
„Sonnabend nachmittag unternimmt Propagandaminister Dr. Goebbels mit Regierungs- und Pressevertretern eine Rundfahrt zum Lustgarten und hinaus zum Tempelhofer Feld, um die letzten Vorbereitungen zu inspizieren. Gewaltige Zurüstungen sind notwendig, die besonders in technischer Hinsicht außerordentliche Anforderungen stellen. Viele Kilometer von Kabel- und Lichtleitungen werden verlegt. Hinzu treten die Hunderte von Lautsprechern, die auch dem entferntesten Hörer – der größte Radius auf dem Tempelhofer Feld beträgt nahezu einen Kilometer – die Worte der Redner und die Klänge der Musik klar und deutlich zutragen sollen. Die Firma Telefunken hat unter einem Zelt, das Apparate im Wert von einer Viertelmillion beherbergt, eine Großlautsprecherzentrale errichtet, die alle früheren derartigen Einrichtungen bei weitem übertrifft. Während Übertragungs- und Lichtproben stattfinden, während Dr. Goebbels mit Offizieren und Beamten die letzten Anordnungen trifft, wird noch eifrig gehämmert. Der Bau der großen Tribüne mit ihren 33 Meter hohen Flaggenmasten erheischt emsige Arbeit. Fahnenmasten umsäumen das ganze Feld. Das Fahnentuch, das für den 1. Mai beschafft werden muß, kostet allein 65000 RM. Markant sind über das Feld verteilte Türme für Lautsprecher und Scheinwerfer, die an die Bohrtürme eines Erdölgebietes erinnern. […]“
„Der besondere Zweck des 1. Mai, die Arbeitenden zu ehren und enge Fühlung zwischen allen Schichten und Landsmannschaften des deutschen Volkes herzustellen, findet auch im Rundfunk seinen Niederschlag. Aus den geöffneten Fenstern schallen die Märsche und Ansprachen. Bei einem Hörbericht deutscher Arbeiter entwickeln Vertreter aller Gebiete und Industrien am Mikrophon ein Bild von ihren Anschauungen. […]“
„Am Rundfunk wohnen die Angehörigen der 80 Auserwählten, wohnen viele Millionen von Deutschen der schlichten Szene, die nichts Gestelltes hat, im Geiste bei. Vorher hat der Rundfunk Arbeiter- und Marschlieder der SA., Arbeiterdichtungen und Berichte vom Massenaufmarsch auf dem Tempelhofer Feld übermittelt. Zur gleichen Stunde richtet ein ganzes Volk seine Gedanken auf den gleichen Punkt. Der Nachmittag strahlt. Die Stunde der großen Feier naht. […]
Zwischen 2 und 3 Uhr nachmittags kreuzt das Luftschiff ‚Graf Zeppelin‘ über der Reichshauptstadt. […] Überall, wo das mächtige Schiff erscheint, branden Begeisterung und Heilrufe zu ihm empor. Ein ausgezeichneter Funkbericht vermittelt allen Hörern am Lautsprecher unmittelbare Eindrücke aus der Luftschiffkabine; er schildert die Eindrücke beim Flug über die deutschen Gaue im Frühlings- und Fahnenschmuck und zeichnet das wahrhaft überwältigende Bild der schwarzen, braunen und grauen Züge, die sich von weither auf das Tempelhofer Feld zu wälzen. […]
Aus den Lautsprechern ertönen aufmunternde Märsche. Verlorene Kinder, die im Telefunkenzelt gesammelt werden, vermißte Angehörige werden ausgerufen. Viel Heiterkeit erntet eine Dame aus Wien, die unbedingt ihren Mann wiederhaben will. – Der Nachmittag begibt sich zur Neige. Allmählich dunkelt der strahlende Himmel. […]“ (Zitate aus [Wendt 1933])
…und am Abend dann: Hitler
Für die Abnahme der Hitler-Rede am Abend des 1. Mai auf dem Tempelhofer Feld in Berlin werden 1933 noch zahlreiche Mikrofone unterschiedlichen Typs verwendet (1 Kondensatormikrofon in Form der sog. Neumann-Flasche, vermutlich 1 Reisz-Mikrofon im Marmorblock, Bändchenmikrofone und mehrere mit kugelförmigem Luftschutz umhüllte Mikrofone). Offenbar benutzten der Rundfunk zur Aufnahme sowie Übertragung der Rede und Telefunken zur Beschallung des Feldes jeweils ihre eigenen Schallwandler (ggf. weitere Mikrofone für die Schallplatten-Schneidemaschinen). Beim Reichsparteitag 1934 werden dann nur noch Rundfunkmikros verwendet, deren Signale mittels Verteilungsverstärkern dem Reichsrundfunk sowie der Beschallungsanlage zugeführt werden. Und zum Reichsparteitag 1935 schließlich wird Hitlers Rednerpult mit Telefunken-Kondensatormikrofonen in ‚Fahnenmast-Formation‘ ausgerüstet sein.