Elektroakustisches Engagement für die Nationalsozialisten

"Die Telefunken-Großlautsprecheranlagen
waren Helfer auf dem Siegeszug der nationalsozialistischen Idee. Denn die heutige Einheit unseres Volkes wurde zusammengeschweißt in Tausenden von Versammlungen und schließlich vollendet in den machtvollen Kundgebungen des letzten Jahres.
In Potsdam und Nürnberg, am Bückeberg und in Siemensstadt, auf dem Tempelhofer Feld und in Tannenberg, auf ungezählten großen und kleinen Veranstaltungen standen Telefunken-Großlautsprecher, und immer halfen sie mit, die Kundgebungen wuchtig und eindringlich, die Feiern würdig zu gestalten."[1]

Das Foto mit der Unterschrift "Rede des Führers, Stadion, Berlin 1932" unter diesem einleitenden Text eines Leporellos von Telefunken, gedruckt gegen Ende 1934, zeigt einen vollbesetzten Teil der Stadiontribüne und im Vordergrund ein ca. vier Meter hohes Dreibeingestell, das zwei Blatthaller in schmaler Ausführung trägt – typisches Equipment der Beschallungsanlagen nicht von Telefunken, sondern von Siemens & Halske. Die Stammfirmen von Telefunken allerdings, die AEG und Siemens, hatten am 1.10.1931 ihre Forschungseinrichtungen für Elektroakustische Anlagen (ELA) zusammengelegt und in den Verantwortungsbereich von Telefunken übergeben.[2] Insofern darf sich die Telefunken GmbH 1934 tatsächlich mit dem Verdienst rühmen, elektroakustische Hilfestellung auf der letzten Wegstrecke bis zur so genannten Machtergreifung gegeben zu haben. Und zweifellos zeichnet "die deutsche Weltmarkte" dann hauptverantwortlich für die "machtvollen Kundgebungen des letzten Jahres", von denen der Telefunken-Werbeprospekt einige aus den Jahren 1933 und 1934 fotografisch auflistet – allen voran die Feier des "Tages der nationalen Arbeit" auf dem Tempelhofer Feld in Berlin.

Für diese elektroakustische Herausforderung, bei der sich 1933 angeblich über eine Million, 1934 zwei Millionen Menschen auf dem Tempelhofer Feld versammeln, greift Telefunken nicht mehr auf geerbte Großlautsprechertechnik zurück, obwohl sich der Siemenssche Riesenblatthaller als der bis dato mit Abstand leistungsstärkste Lautsprecher für die Aufgabe aufdrängt, eine Massenkundgebung in bis dato nicht gekannten Dimensionen mit Schall zu versorgen. Eine strategische Entscheidung Telefunkens wird die Hochleistungslautsprecher von den großen Plätzen der Massenkundgebungen verdrängen und für eine weitreichende Umgestaltung des technischen Dispositivs zur öffentlichen Massen-Adressierung sorgen – zunächst mit der Folge der "entscheidenden Verbesserung der akustischen Verhältnisse bei Großveranstaltungen", wie es Marcel Beyers Protagonist formuliert, der vermutlich Telefunken-Mitarbeiter war:

"Ob er sich wohl jemals Gedanken darüber gemacht hat, daß er, der große Redner vor den Massen, von solch unbedeutend wirkenden Helfern wie mir in höchstem Maße abhängig ist? Begreift er, daß die Akustiker einen entscheidenden Beitrag zu seinem Siegeszug geleistet haben? Daß ohne Mikrophone, ohne die riesigen Lautsprecher ihm niemals sein Erfolg beschieden worden wäre? Hat er nicht schon oft über die akustischen Zustände in der Frühzeit der Bewegung ausführlich geklagt? […] Bis man schließlich dazu überging, die Übertragung auf bis zu hundert Lautsprecher zu verteilen, welche das Publikum von allen Seiten in den Klammergriff nehmen. Ob er es für einen bloßen Zufall hält, daß sein Sieg zusammenfällt mit der entscheidenden Verbesserung der akustischen Verhältnisse bei Großveranstaltungen?"[3]

Massenbeschallungsanlage 1933
„Der Aufbau einer Großübertragungsanlage für Massenveranstaltungen am 1. Mai 1933“ (Abb. 33 aus Wigge 1934).

Zur Maifeier 1933 setzt Telefunken auf die verteilte Aufstellung von gerade entwickelten Kurztrichtern, also bevorzugt nach vorn abstrahlenden Lautsprechern, die an Masten einzeln oder in Zweiergruppen montiert, in gleichmäßigen Abständen und großer Anzahl auf dem Feld aufgestellt werden. Die Installation der Anlage gestaltet sich höchst aufwendig, da gleich zwei Kabelnetze über das Feld gezogen werden müssen, eines für die Versorgung der Lautsprecher mit den Mikrofonsignalen und ein zweites, hiervon sorgsam getrenntes, für die Stromversorgung der in die elektrodynamischen Lautsprecher eingebauten Feldmagnete.

Trotz des hohen und kostenintensiven Aufwandes kann Telefunken 1933 mit dieser Beschallungsanlage nur einen mäßigen Erfolg erzielen. Die verwendeten Kurztrichterlautsprecher, die einige Jahre später auf Lautsprecherwagen der Propagandakompanien ihren nationalsozialistischen Militärdienst zufrieden stellend verrichten werden, erweisen sich für die dezentrale Beschallung des riesigen Freigeländes als ungeeignet, weil sich ihre akustischen Reichweiten nicht auf den Abstand zweier benachbart aufgestellter Lautsprecher begrenzen lassen und daher ein Kurztrichter in das Schallfeld eines anderen oder mehrerer in Abstrahlrichtung aufgestellter Lautsprecher hineinwirkt, so dass sich kaum berechenbare Interferenzerschei­nun­gen ergeben und, im 1933 eingetretenen, ungünstigsten Fall, die Sprachverständlichkeit stark beeinträchtigende Echoeffekte (das so genannte Doppelsprechen).

Die Konkurrenz, die zeitgleich auf anderen großen Plätzen Anlagen in bewährter zentraler und frontaler Beschallung einsetzt, triumphiert – allen voran der inzwischen größte Konkurrent von Telefunken auf dem Gebiet der Beschallungstechnik, die Firma Dr. Dietz & Ritter (Körting). In einem Werbeprospekt mit dem Titel "Großübertragung auf 1 Million Quadratmeter mit nur 5 Riesenlautsprechern" von 1934 dokumentiert sie ihren elektroakustischen Erfolg, wägt die Vor- und Nachteile von dezentraler und zentraler Massenbeschallung ab und kommt zu dem Ergebnis, dass die Frontalbeschallung mit den gerade entwickelten und am 1.5.1934 auf dem Kreckower Feld bei Stettin eingesetzten Körting-Großlautsprechern ‚Maximus-Titan‘ die in aller Regel vorzuziehende Lösung darstelle.

Telefunkens Elektroakustiker aber hatten das Jahr zwischen den Maifeiern 1933 und 34 nicht untätig verstreichen lassen, sondern auf einem großen Versuchsgelände in der Nähe Berlins die Kunst der akustischen Beherrschung großer und größter Freiflächen studiert. Zudem hatte man vermutlich ein technikhistorisches Archiv konsultiert, denn was Telefunken 1934 dann als neue Lautsprecherart präsentiert, findet sich im Prinzip bereits bei den frühen Radiolautsprechern wieder,[4] freilich mit erheblich kleineren Ausmaßen, die für eine spezielle Schallverteilung zuständige Gehäuseform stammt aus den USA,[5] dort allerdings realisiert in größeren Dimensionen, und als Schallwandler dient das 1924 von Rice und Kellogg patentierte, in Deutschland ab 1927 durch die AEG vermarktete elektrodynamische Schwingspulensystem.[6] Die eigentliche Erfinderleistung Telefunkens stellt daher nicht dieser Rundstrahler dar, der den Markennamen ‚Pilzlautsprecher‘ erhält, sondern die Kombination des Strahlertyps mit der Strategie der verteilten Lautsprecheraufstellung, wie sie erstmals zur Maifeier 1934 eingesetzt wird. Wieder werden zwei Kabelnetze auf dem Tempelhofer Feld verlegt und erneut eine arbeits- und kostenintensive dezentrale Anlage erricht – und diesmal, dank der in ihrer akustischen Reichweite begrenzbaren Rundstrahler, mit vollem Erfolg.

Telefunken-Pilzlautsprecher 1934
Telefunken-Werbung


Telefunken-Großlautsprecher
vereinen Millionen Volksgenossen im gemeinsamen Erleben der großen Ereignisse unserer Tage.
Telefunken-Gemeinschaftsempfangsanlagen werden stets ein Begriff der Zuverlässigkeit und Leistung sein.

Telefunken
Die deutsche Weltmarke“[7]

In ihre Firmenchronik schreibt sich Telefunken einige Jahre später in Bezug auf den nationalsozialistischen Nationalfeiertag 1934: "Telefunken löst das Pro­blem der echofreien Großlautsprecheranlagen durch Konstruktion des Pilzlaut­spre­chers. – Tele­fun­ken errichtet echofreie Großanlagen für den 1. Mai auf dem Tempelhofer Feld und im Lustgarten."[8] In der 1953 herausgegebenen Chronik heißt es immerhin noch, entlokalisiert und damit von politischem Ballast befreit: "Erste echofreie Großlautsprecheranlage mit Telefunken-Pilzlautsprechern."[9] Und nachdem Telefunken weitere Großveranstaltungen, u. a. den Reichsparteitag 1934, ebenso erfolgreich beschallt hat, entscheidet sich 1935 die Brockhaus-Redaktion, die elektroakustische Leistung Telefunkens in ihrer nationalen Bedeutung zu würdigen (wobei der erste Pilz-Einsatz auf das Jahr der ‚Machtergreifung‘ zurückdatiert wird):

"Bei großen Massenkundgebungen hat sich als Nachteil der bisherigen Lautsprecherkonstruktionen ergeben, daß sich die Schallwellen der einzelnen L. überstrahlen. Dieser Nachteil wird durch den von Telefunken 1933 entwickelten Pilzlautsprecher vermieden. Er besteht aus zwei ineinander-gesteckten, nach oben offenen Trichtern von genau berechneter Form, die die Schallwellen nach allen Seiten hin gleichmäßig verteilen. Unten befindet sich das Antriebssystem. Wie bei einer erhöht aufgehängten Lampe, die das Licht im weiten Umkreis nach unten wirft, werden die Schallwellen in einer bestimmten Entfernung den Boden erreichen. Der Wirkungskreis eines solchen L. ist also genau begrenzt. Stellt man nun einen andern gleichen L. in entsprechender Entfernung auf, so werden sie sich gegenseitig nicht stören, dagegen ist ein gleichmäßiges Schallfeld vorhanden. Derartige L. wurden zum erstenmal in großer Anzahl am 1. Mai 1933 auf dem Tempelhofer Feld benutzt."[10]

Der Konkurrenz und speziell dem erwähnten Körting-Prospekt ruft Telefunken entgegen: "Also doch: Pilze!" Was technisch ausgeschrieben bedeutet: Also doch: dezentrale Beschallung großer Freiflächen mittels Rundstrahlern. Dieser Triumph hat 1935 allerdings bereits einen marktwirtschaftlich faden Beigeschmack für Telefunken, denn die Konkurrenten sind inzwischen dazu übergegangen, eigene, teilweise bessere Pilzlautsprechermodelle in ihre Programme aufzunehmen und zudem mit so genannten Ampellautsprechern – Rundstrahlern zum Aufhängen, um auch Innenräume mittels verteilter Lautsprecheranordnung beschallen zu können – neue, lukrative Absatzmöglichkeiten zu erschließen. Grawor (Graß & Worff), laut Eigenwerbung "Deutschlands größte Lautsprecher-Spezialfabrik", erweitert pünktlich zur Leipziger Frühjahrsmesse 1935 das Sortiment:

"Auftakt zur Premiere!
Hiermit startet das neue GRAWOR-Verkaufsprogramm. Es steht im Zeichen der Großübertragungen und des Gemeinschafts-Empfangs. Dementsprechend sind Permanent-Großdynamos, Rundstrahler, Richtstrahler, Mikrofone sowie ein Spezial-Pick-up neu entwickelt worden. Wir werden ferner unsere reichen Erfahrungen auf dem Gebiet der Großübertragungen durch fachmännische Zusammenstellung kompletter Anlagen in den Dienst der Kundschaft stellen. Sämtliche nebenstehend abgebildeten Neuheiten ergänzen das bisherige Fabrikationsprogramm und sind ein Verkaufstip für das Sommergeschäft."[11]

Kurz darauf kann Grawor verkünden: "Der Siegeszug der GRAWOR-Rundstrahler beginnt", denn ein erster Großerfolg spricht für sich: "24 GRAWOR-Rundstrahler mit Stadiodyn-Permanent-Lautsprechern und 5 Richtstrahler begeisterten die Massen am 1. Mai auf dem ca. 80000 qm großen Krekower [sic] Feld in Stettin […]. In allen deutschen Gauen wurde am Tag der nationalen Arbeit die Betriebssicherheit der GRAWOR-Großdynamos unter Beweis gestellt". Nicht versäumt wird, den adressierten Rundfunkeinzelhändlern das wichtigste Argument für die mit Permanentmagneten ausgestatteten Grawor-Lautsprecher an die Hand zu geben: "Durch Verwendung der neuen GRAWOR-Permanent-Großlautsprecher ersparen Sie sich die Anschaffung u. Installation der Erregerleitung".[12]

Ein Jahr später bewerben Dietz & Ritter ihre Körting-Rundstrahler mit einer bereits beachtlichen Liste von bedeutenden Massenbeschallungen auf Freiflächen und von Installationen in Hallen:

Körting-Rundstrahler 1936
Körting-Werbung

"Die größten Veranstaltungen unserer Zeit im Zeichen der
KÖRTING-Rundstrahler-Anlagen:

Olympische Winterspiele 1936
Frühjahrsmesse Leipzig 1936
Reichsparteitag Nürnberg 1935
Bückeberg, Erntedankfest 1935
Reichsnährstands-Ausstellung 1935
Große Funkausstellung 1935
Gesamtanlage in der Deutschlandhalle
Zahllose Gemeinschaftsanlagen in deutschen Betrieben, darunter eine der größten und schönsten: Rheinmetall-Borsig A.-G., Werk Sömmerda in Thüringen".[13]

Dem großen nationalsozialistischen Bedarf nach elektroakustischer Verstärkung zum Dank kann Telefunkens PR-Abteilung allerdings weiterhin auf eine mindestens ebenso werbewirksame Liste elektroakustischer Großeinsätze zurückgreifen: Reichsparteitag 1934, Reichsbauerntag in Goslar und Reichsbauernthing 1934, 2000-km-Fahrt 1934, Bauernspiel in Erfurt 1934, Installation einer Werkslautsprecheranlage bei Opel 1935, Installation einer von der NSDAP zentral fernsteuerbaren Beschallungsanlage auf vier Plätzen in Bremen 1935, Kundgebung im Lustgarten anlässlich des 15. Jahrestags der Gründung der NSDAP 1935, Heldengedenktag in Berlin 1935, Tempelhofer Feld und Lustgarten 1.5.1935, 7 Beschallungsanlagen zur Eröffnung der Reichsautobahn 1935, Beschallungsanlage für die Thingstätte bei Heidelberg – und im Sommer 1936 schließlich die weit über die Reichsgrenzen hinausschallende Olympiade, bei der unter anderem mit neu entwickelten Telefunken-Rundstrahlern (so genannte Hochtonpilze und Löschstrahler) zahlreiche Kampfstätten inner- und außerhalb des Reichssportfeldes beschallt werden.[14]

Telefunken-Löschstrahler
Telefunken-Werbung


„Die Lautsprecheranlagen für das Reichssportfeld zeugen von der Leistungsfähigkeit der deutschen Verstärker- und Lautsprechertechnik. Wer die gewaltigen Ausmaße der zu besprechenden Kampfstätten und Aufmarschgelände kennengelernt hat, wer gesehen hat, welch vielseitige Anforderungen während der Veranstaltungen an die einzelnen Anlagen gestellt werden, wird verstehen, wie viele neue Probleme zu lösen waren.“[15]

Das eigentliche, wirtschaftliche Interesse der Firmen aus der wachsenden Beschallungsbranche liegt allerdings nicht im Verleih ihrer Beschallungstechnik für nationalsozialistische Großveranstaltungen, sondern im Verkauf und in der Festinstallation elektroakustischer Geräte. So werden denn auch die Rundfunkeinzelhändler über Werbeanzeigen und -prospekte direkt als potentielle Käufer angesprochen, um dann ihrerseits als Verleiher von Beschallungstechnik bei kleineren und mittleren Veranstaltungen zu fungieren (siehe hierzu beispielsweise Telefunkens Werbeanzeigen 1935). Begleitend werden sie durch Aufsätze in Fach- bzw. Branchen- und Firmenzeitschriften wie Der Radio-Händler oder den von Telefunken herausgegebenen "Nachrichten aus der Elektro-Akustik" mit den nötigen elektrotechnischen und -akustischen Grundkenntnissen vertraut gemacht, die sie für die Zusammenstellung der Komponenten und die Montage der Anlagen benötigen, und außerdem, werbetechnisch als Multiplikatoren fungierend, um fachkompetente Beratung leisten zu können in der Funktion als Ansprechpartner für die Endkunden – wenn diese nicht direkt von den produzierenden Firmen angesprochen werden:

Telefunken-Werbung Gemeinschaftsempfang
Telefunken-Werbung in [AfF 5 1936, 156]

"Sehr geehrter Herr Bürgermeister!
           Herr Schulleiter!
           Herr Betriebsführer!
Wichtige Funkübertragungen sollen allen Volksgenossen zugute kommen und nach Möglichkeit zu einem Gemeinschaftsempfang gestaltet werden – das ist heute der Wunsch der massgebenden behördlichen Stellen!
Viele Städte und Gemeinden, Schulen und städtische Betriebe haben bereits Lautsprecheranlagen angeschafft und uns mit der Errichtung der Anlage beauftragt. Ein Beweis des Vertrauens, das wir uns durch jahrelange, rastlose Arbeit in unseren Forschungsinstituten und Versuchsfeldern sowie durch die zuverlässige, hohe Qualität unserer Geräte errungen haben. Zahllose Anlagen haben wir zur Zufriedenheit der Auftraggeber ausgeführt., darunter Anlagen, wie sie sonst nirgends in der ganzen Welt errichtet worden sind:
    für die Feiern des 1. Mai auf dem Tempelhofer Feld,
    für die Parteitage in Nürnberg,
    für das Erntedankfest auf dem Bückeberg,
    für die 2000 km-Fahrt usw.
Schenken auch Sie uns Ihr Vertrauen und beauftragen Sie uns mit dem Bau Ihrer Anlage. Wir sichern Ihnen zu, auch Ihre Anlage mit unserer bekannten Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit zu errichten. Schreiben Sie uns bitte Ihre Wünsche oder beauftragen Sie damit einen ortsansässigen Händler. Wir unterbreiten Ihnen gern ausführliche Angebote.
In Anbetracht der Etattermine der städtischen Behörden und Betriebe haben wir ein Zahlungssystem geschaffen, das den Erfordernissen dieser Körperschaften besonders Rechnung trägt. Dieses Zahlungssystem ermöglicht allen, auch kleinen Gemeinden, sich eine hochwertige Uebertragungsanlage anzuschaffen.
    Mit deutschem Gruss!
      TELEFUNKEN
Gesellschaft für drahtlose Telegraphie m. b. H."[16]

Mit diesem vermutlich im Oktober 1934 gedruckten Werbeprospekt adressiert Telefunken direkt die Verantwortlichen von Städten und Gemeinden, Schulen und städtischen Betrieben, um den gerade entstehenden, wirtschaftlich höchst interessanten Absatzmarkt für Gemeinschaftsempfangsanlagen für sich zu erschließen. In Art eines per Schreibmaschine verfassten Anschreibens auf den ersten beiden Seiten des Leporellos werden Bürgermeister, Schul- und städtischer Betriebsleiter auf den staatlich verordneten "Wunsch" nach öffentlich zu errichtenden Gemeinschaftsanlagen hingewiesen, zudem werden herausragende Leistungen der "Deutschen Weltmarke" im Bereich der Großbeschallungstechnik aus den Jahren 1933 und 1934 in Erinnerung gerufen, um auf den letzten zwei Seiten die für solche städtischen Anlagen nötigen Qualitäts-Geräte vorzustellen: die Telefunken-Kraftsprecher, elektrodynamische Lautsprecher mit der von Telefunken entwickelten Nawi-Membran (nicht abwickelbar, daher mit größerer Steifigkeit gegenüber den in eine Fläche abwickelbaren Konus-Membranen) und Sprechleistungen von 5 bis 150 Watt, die hierzu passenden Telefunken-B-Verstärker, die sich aufgrund schaltungstechnischer Unterschiede gegenüber den bis dato verwendeten A-Verstärkern durch niedrigeren Stromverbrauch bei gleicher Leistung und vergleichbarer Klangqualität auszeichnen, sowie die "Telefunken-Pilzlautsprecher zur echofreien Schallverteilung", die auf dem Tempelhofer Feld und dem Reichsparteitagsgelände ihre staatlichen Weihen bereits empfangen haben und sich somit auch für die Verbreitung der nationalsozialistischen Sendung auf städtischen Marktplätzen empfehlen.

Auf den zwei mittleren Seiten des sechsseitigen Leporellos illustriert zudem eine Zeichnung auf anschauliche Weise die Installations- und Verkabelungsmöglichkeiten der einzelnen, über die Stadt verteilten Anlagen für Rathaus und Stadtplatz, für Schule, Betrieb und für den Sportplatz inklusive nahe gelegenem Schwimmbad. Die drei kleineren Empfangsanlagen beziehen dabei ihre Rundfunksignale mittels Antenne aus dem Äther, die komplexere Rathaus- und Marktplatzanlage hingegen ist per Drahtleitung mit dem örtlichen Postamt direkt verbunden, das seinerseits mittels des aus der Zeichnung führenden Telefonkabels am reichsweiten Rundfunkübertragungsnetz angeschlossen ist.

In diesem Bild verbinden sich medienpolitische Wunschvorstellungen der Machtinhaber mit privatwirtschaftlichen Interessen des elektrotechnischen Großkonzerns in idealtypischer Weise. Sämtliche öffentliche Plätze, betriebliche und städtische Einrichtungen werden mit modernen Beschallungsanlagen ausgestattet und sind dann medial jederzeit erreichbar. Dörfer und Städte sind per staatlich kontrollierter und finanzierter, privatwirtschaftlich installierter und zu wartender Postleitungen mit den ebenfalls unter staatliche Hoheit gebrachten, von den deutschen Elektrokonzernen erbauten Sendeanstalten verbunden. Die medientechnischen und graphischen Lücken im Idealbild, die Privathaushalte, werden durch den staatlich verordneten Volksempfänger seit 1933 und durch die anderen, privatwirtschaftlich interessanteren Rundfunkgeräte geschlossen. Lediglich die Kirche, auf die der Telefunken-Illustrator nicht verzichtet, bildet einen rundfunkpolitisch nicht erreichbaren blinden Fleck in der medialen Landkarte. Wirtschaftlich indes ist sie längst erschlossen, da bereits seit Jahren mit Beschallungs- und Schwerhörigenanlage ausgestattet.

Letztlich jedoch scheinen die Werbemaßnahmen inklusive der Finanzierungsangebote nicht ausgereicht zu haben, um die fiskalischen Hürden zu nehmen und den übergeordneten staatspolitischen Interessen Rechnung zu tragen. So wird der Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda den "reichswichtigen Plan" ersinnen, eine reichsweit verteilte Lautsprecheranlage zu installieren. Staatlich initiiert und kontrolliert, mittels einer Anfang 1937 gegründeten "Reichs-Lautsprechersäulen-Treuhand-Gesellschaft m.b.H." organisiert, sollen hierzu insgesamt 6600 rundstrahlende Säulen im Reich aufgestellt werden, um diese über ein bei der Reichspost entwickeltes Drahtfunkkabel miteinander zu vernetzen. 3300 der Säulen sollen, einer architektonischen Formbestimmung der Professoren Speer und Gall folgend, als lautsprechende Litfasssäulen ausgebildet werden, damit das Projekt über Werbeeinnahmen finanziert werden kann; die andere Hälfte: "Lautsprecher-Pilze (ohne Reklame)". Und das Ziel des Plans, der letztendlich an den dann weit über die Reichsgrenzen hinaus reichenden Allinklusionsbestrebungen scheitern wird: "jederzeitige zentrale Besprechung und damit die Möglichkeit augenblicklicher, akustischer Erfassung der gesamten Bevölkerung".[17]

1 Telefunken-Werbeprospekt, aufbewahrt im historischen Archiv des Deutschen Technikmuseums Berlin (DTMB): GS 5179 (herzlichen Dank für die Bereitstellung zahlreicher Materialien aus den Firmenarchiven Telefunkens und der AEG).
2 Heinzelmann 2003: 211. Auch die Entwicklungsabteilungen für Rundfunkempfänger wurden an Telefunken abgetreten, außerdem die technische und kaufmännische Leitung der Klangfilm GmbH (ebenfalls ein gemeinsames Tochterunternehmen von Siemens und AEG), siehe Mohr 2003: 27.
3 Beyer 1996: 147f.
4 In der ersten deutschsprachigen Monographie über Lautsprecher von 1925 werden im Kapitel "Indirekt wirkende Lautsprecher" mehrere Beispiele angeführt (Nesper 1925b: 53-60).
5 Die amerikanische Firma Racon Electric Co. Inc. hatte dieses Gehäuse speziell für große Versammlungen entwickelt (Wigand 1934: 724 u. Abb. 2).
6 Patentschriften US 1631646 und US 1795214 (beide 27.3.1924); aufgrund eines Patentaustauschabkommens mit General Electric wurde der Rice-Kellogg-Lautsprecher in Deutschland durch die AEG zum Patent angemeldet (DRP 631724) und unter der Bezeichnung ‚Geaphon‘ angeboten.
7 Ganzseitige Telefunken-Werbung in Archiv für Funkrecht 1936, Nr. 4, S. 127.
8 Undatierte und unpaginierte Werbeschrift "Telefunken. Tradition und Technik", um 1937. Zur unglücklichen Formulierung sei angemerkt, dass die Echofreiheit der Großlautsprecheranlagen nicht das Problem, sondern die durch die Pilzlautsprecher ermöglichte Lösung darstellte.
9 Telefunken 1953: 151. In der inoffiziellen Jubiläumsschrift zum 100. ist die Chronik reproduziert (Thiele 2003: 379-382); der in dem Sammelband für die elektroakustischen Anlagen zuständige Aufsatz erwähnt die Pilzlautsprecheranlage gar nicht mehr (Heinzelmann 2003).
10 "Lautsprecher" 1935.
11 Doppelseitige Werbeanzeige in Der Radio-Händler; 1935, Nr. 5.
12 Ganzseitige Werbeanzeige in Der Radio-Händler 1935, Nr. 10.
13 Ganzseitige Werbung im Archiv für Funkrecht 1936, Nr. 3.
14 Die Angaben sind der von der Telefunken GmbH herausgegebenen Zeitschrift "Nachrichten aus der Elektro-Akustik" entnommen (DTMB: GS 5177).
15 Ganzseitige Telefunken-Werbung in Archiv für Funkrecht 1936, Nr. 10, S. 352.
16 Telefunken-Werbeprospekt (DTMB: GS 5179).
17 Bundesarchiv: NS 10 / 46 Bl. 212-234.