Dezember 1937, der Vestnerturm der Nürnberger Burg wird zur Riesen-Reichslautsprechersäule
Unterstützt von Siemens, Telefunken und TeKaDe installieren Oskar Vierling und seine Mitarbeiter vom Insitut für Schwingungsforschung der Berliner Technischen Hochschule im Dezember 1937 auf der Nürnberger Burg die mit einer Verstärkerleistung von 5000 Watt angeblich größte Beschallungsanlage Europas, um mit Riesentrichtern von den beiden Türmen der Burg aus die Umgebung zu beschallen. Eine zweite Anlage mit 2000 Watt versorgt weitere 43 auf dem Stadtring verteilt aufgestellte Lautsprecher.
„[…] Obergruppenführer von Obernitz hatte die Argo-Gilde mit der Ausgestaltung der Feier der Wintersonnenwende beauftragt, wobei uns wieder die Ausführung des technischen Teils zufiel. Auf der Burg zu Nürnberg wurde von uns eine Großanlage errichtet, die den Kundgebungsplatz, der auf der Burgfreyung [sic] vorgesehen war, und die nähere Umgebung mit Schall zu versorgen hatte. Auf der Freyung wurde das Julfeuer entzündet und von diesem Julfeuer dann 43 Sippenfeuer, die rings um die Stadtmauer gleichmäßig verteilt waren. Jede dieser 43 Feuerstellen hatte noch einen zusätzlichen Lautsprecher. Auf der Burg war eine Energie von 5000 Watt konzentriert und daher die bisher größte Anlage Europas aufgestellt. Die Verstärker waren in einer Garage untergebracht. Es waren drei Verstärker zu je 1000 Watt und zehn Verstärker zu je 200 Watt. An Lautsprechern stand nur die Type von 150 Watt zur Verfügung, die dann in entsprechender Anzahl verwendet werden mußte. Die Mehrzahl der Lautsprecher war auf dem Vestnerturm, mehrere an je einem Schalltrichter montiert; der Rest war auf den fünfeckigen Turm und den Kaisersaal verteilt. Die Lautsprecher auf dem Vestnerturm hatten eine Höhe von etwa 120 m über dem mittleren Stadtgebiet und von 40 m über dem Kundgebungsplatz. Für die auf dem Stadtring verteilten Lautsprecher war eine weitere Gesamtverstärkerleistung von etwa 2000 Watt vorhanden. Diese Verstärker wurden von der Hauptverstärkerzentrale auf der Burg über Fernsprechkabel gesteuert. Die Musikkapelle mit dem Chor, der elektrischen Orgel, der elektrischen Harfe und den elektrischen Glocken war im Schwedenhof, einem geschützten Innenhof der Burg untergebracht, um Störungen durch Rückkopplung zu vermeiden. Der Redner stand auf der Burgfreyung ziemlich am Fuße des Vestnerturms. Die Musik war also auf dem Hauptkundgebungsplatz auch nur über die Übertragungsanlage hörbar. Auf dem Kundgebungsplatz sollte eine sehr große Dynamik zur Verfügung stehen. Die tiefen Frequenzen waren dort zu stark, da sie auch noch von Lautsprechern, die nicht auf die Burgfreyung gerichtet waren, wegen der zu geringen Richtwirkung der Trichter für die tiefen Frequenzen auf diese abgestrahlt wurden. Da außerdem das Ohr bei diesen übergroßen Lautstärken die tiefen Töne stärker hört als die hohen, trat eine weitere Verschiebung nach den tiefen Frequenzen hin auf. Durch Zusatzlautsprecher für die hohen Frequenzen wurde die Frequenzkurve so ausgeglichen, daß auch bei diesen großen Lautstärken wieder ein natürlicher Klangeindruck zustande kam (Abb. 1). Nach diesem Ausgleich der Frequenzkurve wurde selbst diese große Lautstärke nicht unangenehm empfunden. Da bei diesen großen Lautstärken eine saubere, unverzerrte Übertragung unerläßlich ist, wurden Maßnahmen zur Überwachung der Aussteuerung getroffen. Von der Firma Siemens & Halske wurde uns ein Aussteuerungsmesser zur Verfügung gestellt, der mit einem logarithmischen Lichtzeiginstrument mit einer Einstellzeit von nur 0,1 sec eine genaue Kontrolle zuließ.
Die Mikrophonanordnung beim Orchester machte keine Schwierigkeiten. Vor und hinter dem Orchester war je ein Orchestermikrophon. Zwei Mikrophone wurden hier verwendet, um die Klangfarbe einzustellen, denn das Mikrophon vor dem Orchester brachte besonders die hohen Frequenzen und die hellen Instrumente und das zweite hinter dem Orchester die tiefen Frequenzen und die tiefen Instrumente. Die Abstimmung dieser beiden Mikrophone erfolgte nur einmal und wurde dann nicht mehr geändert. Für den Chor wurde ein Mikrophon mit nierenförmiger Richtcharakteristik verwendet, um in dieses Mikrophon nur den Chor zu bekommen. Die Orgel, die Harfe und die Glocken wurden elektrisch dazugemischt.
Schwierigkeiten dagegen bereitete das Mikrophon für den Redner auf der Burgfreyung. Da die Freyung direkt mit Schall versorgt werden mußte, strahlten die Lautsprecher auf das Mikrophon. Durch einfache Abschirmungen akustischer Art ließ sich bei diesen Lautstärken nichts erreichen, so daß die Aufgabe schon unlösbar erschien. Ein kleiner Kunstgriff brachte dann nicht nur die Lösung, sondern ergab neue, wertvolle Wirkungen. Es wurden zwei gleiche Mikrophone in Gegentakt geschaltet und verhältnismäßig dicht benachbart aufgestellt, so daß sich der Schall von den Lautsprechern aufhob. Von dem Redner wurde dann nur das eine Mikrophon besprochen, so daß die Sprache ungehindert aufgenommen wurde. Bei einem entsprechenden Abgleich der beiden Mikrophone konnte dann die Anlage voll ausgesteuert werden.
Da sich der Redner bei dieser Anordnung selbst sprechen hört, und er so den Ausdruck seiner Stimme verstärkt vernimmt, wird er weiter angeregt. So tritt an Stelle der akustischen Rückkopplung die ’seelische‘.[…] Die befürchteten Störungen durch mehrfache Reflexionen und eine dadurch hervorgerufene Unverständlichkeit der Sprache traten nicht ein. In einem Umkreis von 600 m war trotz des hohen Störpegels, der durch den Straßenlärm verursacht war, eine gute Verständlichkeit. An allen Stellen, wo direkter Schall einfiel, also besonders in radial von der Burg verlaufenden Straßenzügen, war die Reichweite größer. Außerhalb der Stadt wurde dann in Entfernungen von 5 km an Stellen, die etwas erhöht lagen, wieder gut gehört. […]“ [Vierling in: AZ 2 1938, 93-96]