„Die Abhandlung über Großlautsprecheranlagen in Europa, die in einer vorhergehenden Ausgabe der Electrical Communication1 erschien, beschrieb die Fortschritte, die auf diesem Gebiete bis Ende 1924 gemacht wurden. Seit damals hat die Anwendung von Großlautsprecheranlagen solche Verbreitung gefunden, daß nur wenige Veranstalter großer Versammlungen irgendwelcher Bedeutung versuchen, ihr Programm ohne Verstärkervorrichtung durchzuführen. In zwei geschichtlichen und weltberühmten Gebäuden in London, Guildhall und Mansion House, sind jetzt dauernd Großlautsprecheranlagen eingerichtet. Jede berühmte Persönlichkeit, die England in letzter Zeit besuchte, wurde in einem dieser beiden Gebäude gastlich aufgenommen, und viele Gäste hielten Ansprachen mittels dieser Anlagen, die im Festsaal untergebracht sind. In beiden Gebäuden wird die als ‚Nr. 3‘ bekannte Anlage verwendet, die den Anschluß von zehn Mikrophonen über Mikrophon-Schalttafeln ermöglicht. Die Lautsprecher sind in geeigneten Gruppen angeordnet und werden von einer Schalt- und Lautstärkeüberwachungstafel aus geregelt, so daß der für jeden einzelnen Sprecher geeignete Satz Lautsprecher verwendet werden kann.
Im November des Jahres 1924 wurde die Anlage Nr. 3 in dem Versicherungssaal der Lloyds-Schiffsbörse in London versuchsweise zu dem Zwecke montiert und vorgeführt, die vom Aufrufer, der an einem erhöhten Pult sitzt, aufgerufenen Namen der Versicherer besser hörbar zu machen. Diese Vorführung war so erfolgreich, daß die Anlage übernommen wurde, und sie erwies sich auf die Dauer im Gebrauch als so wertvoll, daß in dem prächtigen neuen Lloyds-Gebäude (Abb. 1 und 2), das zu Ostern 1928 eröffnet wurde, die größere Anlage Nr. 2 eingerichtet wurde. Sechzehn Kastenlautsprecher, die für den ganzen Versicherungssaal ausreichen, sind mittels einer vergoldeten Schnur an den elektrischen Lampen aufgehängt, und eine Quaste breitet sich über die kastenartigen Trichter aus. […] Als Seine Majestät der König am 2. April 1925 den Grundstein zu dem Gebäude legte, wurden die Ansprachen von dem königlichen Thron aus an die zahlreich versammelten Zuhörer auf der für diesen Anlaß gebauten Bühne durch eine Anlage Nr. 2 verstärkt wiedergegeben.
Die Anlage Nr. 2 wurde auch anläßlich des internationalen Eisenbahn-Kongresses im Kristallpalast und der Eisenbahn-Jahrhundertfeier in Darlington im Jahre 1925 erfolgreich verwendet. Diesen beiden Festlichkeiten wohnten hunderte Vertreter aus allen Ländern der Welt bei.
Anläßlich der Eröffnungs- und Einweihungsfeierlichkeiten der Gedenkhalle in Birmingham im Jahre 1925 für die im Kriege Gefallenen aus dieser Stadt, führte Seine königliche Hoheit Prinz Arthur of Connaught den Vorsitz. Eine Versammlung von 40-50000 Teilnehmern konnte, dank der Lautsprecheranlage Nr. 1, jedes Wort deutlich verstehen, das bei der sehr ergreifenden Feierlichkeit gesprochen wurde. Die großen Lautsprechertrichter (siehe Titelbild) waren rings an dem oberen Gesimse der Gedächtnishalle angebracht, im richtigen Verhältnis zu der Fläche, die für den Hörbereich in Betracht kam.
Scarborough, an der Küste von Yorkshire, hat eine besondere Anlage Nr. 2. Die Ausrüstung ist auf dem Wandelgang des Kurhauses (Spa) aufgestellt und dient zur Wiedergabe der Orchestermusik und anderer musikalischer Darbietungen längs des ganzen Wandelganges, für die verschiedenen großen Kaffeehäuser und, auf Wunsch, für den großen Konzertsaal.
Die Kapelle spielt entweder auf dem Podium des Konzertsaals oder in dem Pavillon des Wandelganges. Bei schlechtem Wetter spielt die Kapelle im Saal. Für beide Plätze ist ein Mikrophon vorgesehen, und man braucht bloß das passende Mikrophon einzuschalten, um die Musik von beiden Ausgangsplätzen aus hörbar zu machen. Früher waren während der Hochsaison nur für ungefähr 2000 Zuhörer von den 5000 Anwesenden Sitzplätze vorhanden, von denen aus die Musik gut hörbar war, denn wegen des Brausens der See und dann und wann auftretender Nebel wird der Musikpavillon in einem beträchtlichen Umkreis abgeschirmt, so daß nur eine beschränkte Anzahl Sitzplätze, von denen aus die Musik gut hörbar war, vorhanden war. Die Anlage kann daher als ein großer Erfolg bezeichnet werden, denn nun können die Badegäste und Einwohner an allen Punkten des Kurhaus-Wandelganges und an sonstigen Plätzen gut hören. Ein Rundfunkapparat bildet einen Teil der Anlage und wird gelegentlich zur Übermittlung wichtiger Rundfunkmeldungen benutzt. Die Kurhausanlage (Spa) wurde im vergangenen Jahr für die Jahresversammlung der britischen konservativen Partei (Annual Conference of British Conservative Party) verwendet, die in Scarbourough [sic] abgehalten wurde. Die Rede des Ministerpräsidenten wurde vom Haus der Futuristen über Postleitungen zum Kurhaus gesandt und von dort aus mit Hilfe der Anlage Nr. 2 etwa 14000 Menschen zu Gehör gebracht.
Die Ausrüstung Nr. 2 im Dom von Liverpool2 beweist die Möglichkeit, Lautsprecheranlagen in Kirchen und Domen zu verwenden, wo bedauerlicherweise im allgemeinen arge Störungen durch Echo vorkommen, und dient als Beispiel dafür, wie schwierige akustische Probleme überwunden werden können. Die Mikrophone sind ständig auf dem Chor, dem Bischofthron und auch am Hochalter angebracht. Gegenwärtig sind acht Kastenlautsprecher angebracht und diese Zahl wird noch erhöht werden, wenn die Bauarbeiten für die Vergrößerung des Domes vollendet sein werden. Zur Anlage gehört ein über 7600m langes Bleikabel, das – mit Ausnahme der durch die Luftkanäle geleiteten Strecken – hinter Mauerwerk verborgen ist. Die hervorragende Güte der Wiedergabe der Anlage hatte zur Folge, daß auch in anderen Kirchen und Domen derartige Ausrüstungen eingerichtet wurden, von denen die bedeutenderen die Dome zu Worcester, Bristol und Norwich sind. Hier wird jedoch nur die kleinere Spezialanlage Nr. 4 verwendet.
Die für den weltberühmten Tenniswettkampf (Abb. 4) in Wimbledon verwendete Ausrüstung fand allgemeine Anerkennung; denn früher war es vielen Zuschauern nicht möglich, dem Spiele zu folgen, da sie die Entscheidungen des Schiedsrichters nicht hören konnten. Die Anlage Nr. 2 wurde zuerst nur probeweise eingerichtet. Es herrschten viele Schwierigkeiten – außerdem noch die Furcht, die glücklicherweise nicht gerechtfertigt war, daß die Wiedergabe das Spiel auf den benachbarten Plätzen stören könnte – und die Spielordner waren bezüglich der Ergebnisse äußerst mißtrauisch. Die Vorführung war jedoch vollkommen erfolgreich und die Presse, die Spielordner, die Spieler und die Zuschauer spendeten außergewöhnliches Lob.
Irrenanstalten scheinen auf den ersten Blick kein geeignetes Feld für Großlautsprecheranlagen zu bilden, doch hat man auch hier Verwendungsmöglichkeiten für solche Anlagen gefunden. Eine Anlage, die kürzlich in einer Anstalt für Geisteskranke in Lancashire eingerichtet worden ist, war ein solcher Erfolg und hat sich als so wertvoll für die unglücklichen Kranken erwiesen, daß Fachleute auf dem Gebiet der Geisteskrankheiten die Anlage und ihre Wirkungsweise genau untersuchen mit dem Gedanken, sie auch in anderen Anstalten einzuführen. Die Übertragung wird von den Kranken sehnsüchtig erwartet, und die Anlage ist jeden Tag in Betrieb und bringt durch die Rundfunkdarbietungen, die Orchestermusik der städtischen Kapelle und den Gottesdienst ein wenig Freude in das Dasein der Unglücklichen. Beinahe unmittelbar nach Inbetriebsetzung der Anlage fragte eine ähnliche Anstalt nach einer solchen Anlage an, da die erste Anlage so wohltuend auf die Kranken wirke.
Eine Vorführung ganz anderer Art fand am 28. März 1927, an Bord des Dampfers „Leviathan“, am Anlegeplatz von Southampton, statt. Ein Festmahl, an dem über 600 Personen teilnahmen, wurde zur Feier der hundertsten Überfahrt gegeben. Die Anlage wurde einerichtet, damit die Reden überall in dem großen Festsaal gehört werden konnten. Auch ein Ferngespräch über den transatlantischen Radiostromkreis, zwischen Beamten in New York und dem Vorsitzenden, wurde mittels einer Großlautsprecheranlage verstärkt.
Die letzte Entwicklungsstufe erreichte die Großlautsprecheranlage in einer Ausrüstung für Eisenbahngesellschaften zur Ankündigung der Züge auf Bahnhöfen mit starkem Verkehr. Auf allen Strecken besteht auf vielen großen Bahnhöfen die Schwierigkeit, den Reisenden die Abfahrt und Ankunft der Züge deutlich bekanntzugeben. Auf vielen Hauptbahnhöfen müssen die Ankunfts- und Abfahrtszeiten in der letzten Minute geändert werden, und die bisherigen Mittel, die Reisenden von diesen Änderungen rasch in Kenntnis zu setzen, wurden immer als unzulänglich erkannt. Die vor kurzem mit Erfolg durchgeführten Vorführungen in York, Newcastle, London Bridge und Scarborough haben bei den Eisenbahnverwaltungen geradezu Aufsehen erregt, und Anlagen wurden sowohl für die Liverpool Street Station in London als auch für die Barry Island Station in Wales bestellt und eingerichtet.
Der Anlage der London and North Eastern-Bahn, die in der Liverpool Street Station errichtet wurde und die in den Abb. 5 und 6 zum Teil gezeigt wird, sind mehrere wichtige Merkmale eigen. Der auf diesem Hauptbahnhof abgewickelte Vorortsverkehr ist größer als auf jedem anderen Bahnhof der Welt; die Zahl der Fahrgäste beträgt täglich 250000. Trotz des erschwerenden Umstandes, daß dieser Bahnhof „flaschenhalsartig“ angelegt ist und nur je drei Geleise [sic] für ankommende und abgehende Züge hat, verkehren dennoch auf den achtzehn Bahnsteigen 1215 Züge täglich und an Samstagen außerdem noch 150 Bäder-Sonderzüge. Der Verkehr wird derart geregelt, daß die Züge auf einer Strecke alle zwei Minuten nach beiden Richtungen und auf den andern Strecken alle drei Minuten verkehren.
Auf der Ost- und Westseite, die achtzehn Bahnsteige umfassen, sind die Lautsprecher (Abb. 6) verteilt. Die Überwachungseinrichtung (Abb. 5) ist in einem Zubau zur Hauptsignalstation untergebracht, von der aus jeder ankommende oder abgehende Zug entweder mittelbar oder unmittelbar geleitet wird.
Am 19. Mai und 6. Juli 1928 haben in Belfast und Blackpool wichtige Vorführungen stattgefunden. In Belfast wurden die Reden bei der Feierlichkeit der Grundsteinlegung des Parlamentsgebäudes für Nord-Irland, einer Versammlung von über 80000 Personen durch eine Lautsprecheranlage wiedergegeben. Bei der Vorführung in Blackpool konnten über 120000 Personen, die am Flugfeld versammelt waren, mittels einer Lautsprecheranlage Nr. 1, jeder Einzelheit der Ereignisse und den musikalischen Darbietungen, die von einer Militärkapelle geboten wurden, folgen. Dies war die erste öffentliche Gelegenheit in England, bei der der elektro-dynamische Lautsprecher mit hohem Wirkungsgrad, Type Nr. 555-W, für einen solchen Zweck verwendet wurde. Die Glückwünsche, die von allen Seiten einlangten, zeugten für die Vortrefflichkeit dieser neuesten Lautsprecher.
Bei der Eröffnung des Bundesparlamentes in Canberry [sic! vermutlich: Canberra] am 9. Mai 1927 durch Seine kgl. Hoheit, den Herzog von York, wurde eine Lautsprecheranlage Nr. 1 verwendet; dieser war es zu verdanken, daß über 100000 Menschen der Feierlichkeit folgen und jedes Wort, das in die sieben Mikrophone gesprochen wurde, hören konnten. Die Anlage diente nicht nur der örtlichen Verstärkung; durch sie wurde auch die sonst notwendige Verwendung doppelter Mikrophone überflüssig, und es wurde mit der australischen Generalpostdirektion vereinbart, den Leistungseingang zur Rundfunk-Fernsprechanlage von einem der Ausgangsstromkreise der Lautsprecheranlage abzunehmen, wodurch die Verdoppelung der Verstärkeranlage vermieden und eine Überwachung ermöglicht wurde. Der Umfang dieses Teiles der Anlage ist in den Abb. 7 bis 10 dargestellt. Die Länge des Leitungsnetzes betrug 2856 km. Die vom Rundfunk bestrichene Fläche betrug ungefähr 2600000 km2 und die Zahl der Zuhörer bei der Feierlichkeit war schätzungsweise 2000000. […]
Das maßgebendste Zeugnis für die Leistungsfähigkeit der Großlautsprecheranlagen ist vielleicht am besten in seiner Anerkennung seitens großer Massen zu sehen, wie zum Beispiel bei dem Fußballwettkampf, der vor kurzem in Amsterdam zwischen Belgien und Holland stattfand. Alles lauschte mit Aufmerksamkeit den fortlaufenden Erklärungen (Abb. 11). Die Ruhe und das Interesse der Zuhörer beweisen die Wirksamkeit und den Wert der Anlage.
Großlautsprecher haben beinahe in allen Ländern der Welt Verbreitung gefunden. Die Eröffnung der Medina, des ägyptischen Parlaments, ist in Abb. 12 dargestellt und zeigt Köngi Fuad als Vorsitzenden, wie eben Seine Exzellenz, Ahmed Khaschalia Pascha während der Eröffnungsfeierlichkeit sich an ihn wendet. Die sonderbare Form des Gebäudes machte es notwendig, die Trichter unter dem hohen Dach anzubringen und Vorkehrungen zur Vermeidung von Echowirkungen zu treffen.“ [Page in: Electrical Communication 3 1929 (Sonderdruck)]
1 „Vorführungen der Anlagen für öffentliche Ansprachen in Europa“ von A. F. Rickard, Electrical Communication, Bd. 4, Nr. 2, Oktober 1925. 2 „Die Anlage für öffentliche Ansprachen im Dom zu Liverpool“, Ashley F. Rickard, Electrical Communication, Bd. 5, Nr. 2, Oktober 1926.