1923: Bedarf an Lautsprechern für die ‚Radio-Telephonie‘

Noch vor Beginn des offiziellen Rundfunks in Deutschland im Oktober 1923 entsteht Bedarf an Radiolautsprechern als Ersatz für die per Kabel an das Empfangsgerät gekoppelten Kopfhörer, durch die der Radioamateur in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt ist und die nur ein je einzelnes Zuhören gestatten. Einer der Pioniere der Rundfunkamateurbewegung in Deutschland, Eugen Nesper, behandelt bereits in der ersten Auflage seines Buches Der Radio-Amateur von 1923 innerhalb des Kapitels über die Verstärker der Rundfunkempfänger auch Lautsprecher, „die sich mehr und mehr für den objektiven Empfang einbürgern“ (Vorwort zur ersten Auflage, zit. nach [Nesper 1925a, VI]). In der „sechsten, bedeutend vermehrten und verbesserten Auflage“ von 1925 wird Nesper den elektroakustischen Wandlern Telephon und Lautsprecher dann ein eigenes Kapitel widmen, „da diese beiden wichtigsten Indikationsapparate für jeden Rundfunkinteressenten heute schon zu einer Spezialwissenschaft geworden“ seien [Nesper 1925a, X].

„Die Radio-Telegraphie früherer Zeiten hat den Typ des Doppelkopftelephons geschaffen, damit der die Morsezeichen abhörende Beamte sofort die Niederschrift der Telegramme mit der Hand bewirken konnte. Die Konstruktion des Doppelkopftelephons, bei welchem die beiden Hörmuscheln durch einen Bügel am Kopf gehalten werden, fällt etwa in das Jahr 1903, also in die Zeit der Erfindung und Nutzbarmachung der elektrolytischen Zelle.“ [Nesper in: Radio-Amateur 3 1924a, 79]

Aus der Geschichte des Lautsprechers. Oberingenieur Karl Frischen (geb. am 20.7.1830, gest. am 7.5.1890), der langjährige technische Leiter der Siemens- und Halske-Werke, hat schon am 28.2.1889 der Öffentlichkeit einen Lautsprecher vorgeführt, über dessen Entstehungsgeschichte Georg Schmidt in der ‚Zeitschrift für Fernmeldetechnik‘ berichtet. Veranlassung gab die Absicht Frischens, anläßlich des 50jährigen Stiftungsfestes der Berliner Polytechnischen Gesellschaft einen Festvortrag zu halten mit dem Thema: ‚Die Elektrizität als Mädchen für alles‘. Der Vortrag fand im großen Saale der Philharmonie statt und Frischen zeigte sich nicht nur als hervorragender Fachmann, sondern auch als guter Redner und geschickter Regisseur. Ein Tisch, ein Klavier, eine Waschmaschine, eine Kinderwiege und ein Polstersessel waren seine Requisiten. Nach einigen einleitenden Worten legte Frischen eine Trompete auf den inmitten der Bühne stehenden Tisch und schon ertönte eine schmetternde Fanfare, der das Lied folgte: ‚Behüt dich Gott, es wär so schön gewesen‘. Speziell für diesen Zweck hatte Frischen das lautsprechende Telephon bauen lassen, das innerhalb der Tischzarge angebracht und durch unauffällig verlegte Drähte mit einem Nebenraum verbunden, die Töne wiedergab, die entfernt von der Bühne ein Mitglied des Philharmonischen Orchesters seiner Trompete entlockte. Die von Frischen damit beabsichtigte Wirkung auf die Festteilnehmer war ihm glänzend gelungen und er erntete lebhaften Beifall für seine Mühe. Also ist der Lautsprecher schon 35 Jahre alt. Bisher wurde er nur in Betrieben (Bahnhöfen, Maschinenhallen, Bergwerken) und auf Schiffen (besonders in Kesselräumen) verwendet.“ [K. in: Radio-Umschau 12 1924, 316]

1898, Oliver Lodge: elektrodynamischer, trichterloser Lautsprecher

Am 27.4.1898 meldet der Physiker Sir Oliver Lodge (zur Zeit der Patentanmeldung „Professor of Physics in University College, Liverpool“, ab 1900 erster Präsident der Universität Birmingham, seit 1902 Sir) das britische Patent Nr. 9712 über einen elektrodynamischen Wandler an und baut nach diesem Prinzip im selben Jahr einen trichterlosen Lautsprecher mit Schwingspulensystem, „welcher als Urtype aller nachfolgenden dynamischen Lautsprecher angesehen werden kann und der sich im wesentlichen auch mit den heute noch üblichen Ausführungen deckt“ [Nesper 1929, 6]. WEITERLESEN…

Edisons Elektromotographen, 1874 für telegraphische, ab 1877 auch für telephonische Zwecke eingesetzt, sei 1878 aufgrund seiner erzielten Reichweiten in The Times die Bezeichnung „loud speaking telephone“ gegeben worden, und „dies dürfte demnach das erstemal (1878) sein, daß ein Gerät ‚lautsprechendes Telephon‘ genannt wurde; es ist auch anzunehmen, wenn auch nicht ganz sicher, daß man aus dieser Bezeichnung den […] Namen ‚Lautsprecher‚ ableitete“. [Mönch 1925, 36]

Vorstellung des elektrodynamischen Wandlers von Werner Siemens in der Berliner Polytechnischen Gesellschaft

elektrodynamisches Telefon„Der Altmeister der Elektrotechnik, Werner von Siemens, baute im Jahre 1878 ein elektro-dynamisches Riesentelefon, das 33kg wog. In seinem Aufbau unterscheidet es sich so gut wie gar nicht von einem dynamischen Lautsprecher. Tatsächlich ist dieses Riesentelefon auch im Jahre 1889 als Lautsprecher in der Berliner Polytechnischen Gesellschaft vorgeführt worden.“ (Abb. und Bildunterschrift aus [Bratke in: Telefunken-Kamerad 1 1937, 3])

Elektrodynamischer Wandler von Werner Siemens 1878

Ferdinand Trendelenburg schreibt über diesen elektroakustischen Wandler, der prinzipiell sowohl als Mikrofon, als auch als Telefonhörer bzw. Lautsprecher eingesetzt werden konnte:

elektrodynamisches Telefon
Die Abbildung zeigt einen Nachbau des Telephons nach den Angaben W. Siemens‘ (Abb. 7 aus [Trendelenburg 1975]).
„Werner Siemens hielt sein elektrodynamisches Telephon besonders geeignet für Empfangszwecke. Hätten ihm schon Verstärker zur Verfügung gestanden, so hätte er sein Telephon mit bestem Erfolg als Lautsprecher für klanggetreue Schallübertragungen verwenden können. Fast in allen Rundfunkgeräten werden heute Lautsprecher mit dem von Werner Siemens angegebenen elektrodynamischen Antrieb verwendet.“ [Trendelenburg 1975, 20]

Reis‘ Wackelkontaksender (A) und magnetostriktiver Empfänger (C) in der Ausführungsform von 1863

Telefon von Reis 1863„Jeder Apparat besteht, wie aus obiger Abbildung ersichtlich, aus zwei Theilen; Dem eigentlichen Telephon A und dem Reproductionsapparat C. Diese beiden Theile werden in solcher Entfernung von einander aufgestellt, dass das Singen oder das Tönen eines musikalischen Instrumentes auf keine andere Weise, als durch den Apparat von einer Station zur anderen gehört werden kann.“ (Zitat u. Abb. aus Originalprospekt 1863, repr. in [Reuter 1990, 6])

Auszug aus „Großlautsprechertechnik auf dem Nürnberger Reichsparteitag 1935“

„Die Festfolge des Reichsparteitages sieht eine Anzahl Großveranstaltungen vor, bei denen sich mehr als 100000 Teilnehmer versammeln. Die für diese Aufmärsche bestimmten Plätze, die Luitpoldarena und die Zeppelinwiese, sind deshalb so ausgestaltet worden, daß jeder Festteilnehmer nicht nur seinen Platz findet, sondern auch die Ansprachen, die Sprechchöre und die musikalischen Darbietungen mühelos versteht. Auch auf den anderen Plätzen, dem Stadion, dem Bauplatz der Kongreßhalle, dem Adolf-Hitler-Platz und den Lagern in Langwasser, wo viele Zehntausende zusammengefaßt werden, mußten Lautsprecheranlagen eingesetzt werden. Die Vielseitigkeit des Programms hat hier der Großlautsprechertechnik Aufgaben gestellt, deren Lösung in vieler Beziehung bemerkenswert ist. Selbst für den reibungslosen An- und Abmarsch auf dem Bahnhof Dutzendteich, auf dem die am Reichsparteitag teilnehmenden Einheiten und Verbände eintreffen und wieder verladen werden, mußte die Lautsprechertechnik in den Dienst gestellt werden. WEITERLESEN…