"Die Möglichkeit, Massen von hunderttausenden von Menschen gleichzeitig durch die Sprache zu beeinflussen, ist von einer Bedeutung, die jeder sofort in ihrem vollen Ausmaß sich klarmachen kann, wenn er einmal den Gedanken ausspinnt, wie anders so manche geschichtliche Entwicklung verlaufen wäre, wenn dieses Mittel etwa der Menschheit seit dem klassischen Altertum zur Verfügung gestanden hätte."[1]
Nach der Realisation eines Telefons von Johann Philipp Reis, das in überarbeiteter Form 1863 als Fernübertragungs-Ensemble, bestehend aus Wackelkontaktsender und elektrostriktivem "Reproductionsapparat",[2] in kleinen Stückzahlen zum Kauf angeboten wurde, bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts werden prinzipiell bereits die drei für den Bau elektroakustischer Beschallungsanlagen wichtigsten Arten von Schallwandlern erfunden und patentiert:
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der elektromagnetische Wandler, der in Form des 1876 patentierten Bellschen Telefons[3] ab 1877 seinen weltweiten Siegeszug im Bereich der Telekommunikation antritt und später für die "Radio-Telephonie" als Kopfhörer und, größer dimensioniert und meist mit Schalltrichter kombiniert, ab den 1920er Jahren für den Rundfunkempfang als elektromagnetischer Lautsprecher dienen wird, um schließlich 1933 in einer verbesserten Form in die Volksempfänger eingebaut zu werden;
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der elektrostatische Wandler,[4] der als lautsprechendes Statophon um 1920 eine kurze Hauptrolle im Tonfilmbereich spielen soll,[5] 1916 im Auftrag von AT&T und Western Electric und 1923 bei Siemens & Halske als Schallempfänger für exakte Schallfeldmessungen entwickelt wird,[6] gegen Ende der 1920er Jahre der Reichs-Rundfunk-Gesellschaft als qualitativ hochwertigstes Mikrofon in Form der so genannten Neumann-Flasche zur Verfügung steht und ab 1935 durch eine Weiterentwicklung von Telefunken den Blick auf den nationalsozialistischen Redner freigibt;[7]
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schließlich der elektrodynamische Wandler, der sich auch heute noch als das am häufigsten angewendete Prinzip sowohl in Mikrofonen als auch in Lautsprechern wiederfindet, bereits 1873 von Werner Siemens in einem Patent angedacht und Ende 1877 detailliert beschrieben wird[8] und gegen Mitte der 1920er Jahre als die vorteilhafteste Antriebsart für Großlautsprecher zur Massenbeschallung erkannt wird.
Es trifft somit für die "Mittler zwischen den beiden Bereichen des Äthers und der Luft",[9] für den apparativen Anfangs- und Endpunkt der medialen Beschallungskette zu, was Siegfried Zielinski im Allgemeinen konstatiert hat: "Im 20. Jahrhundert ist in der Medienwelt prinzipiell nichts Neues mehr erfunden worden."[10] Der zentrale Bestandteil elektroakustischer Beschallungssysteme jedoch, der elektronische Verstärker bzw. die grundlegende Elektronenröhre, wird erst in der ersten Dekade des 20. Jahrhunderts erfunden und während des Ersten Weltkriegs zur einsatzbereiten und mit den elektroakustischen Wandlern kombinierbaren Röhrenverstärkertechnik weiterentwickelt, so dass zunächst nach anderen Möglichkeiten gesucht wird, um den entstehenden Bedarf nach einer Lautverstärkung mit elektrotechnischen Mitteln zu decken. Überbrückt wird diese Lücke vor allem mit Hilfe elektromechanisch arbeitender Relais-Verstärker, durch leistungssteigernde Maßnahmen auf der Sprecher- bzw. Senderseite, indem beispielsweise das sprechstromerzeugende ‚Telefon‘ durch das batteriestromsteuernde (Kohle-)’Mikrofon‘ ersetzt wird, und auf der Hörerseite durch lautstärkesteigernde Erfindungen wie dem Reibungsempfänger, der von Edison prinzipiell erdacht und als Electromotograph prototypisch realisiert wird. 1874 für telegrafische, ab 1877 auch für telefonische Zwecke eingesetzt, sei diesem Gerät 1878 aufgrund der erzielten Lautstärke in "The Times" die Bezeichnung "Loud speaking telephone" gegeben worden, und "dies dürfte demnach das erstemal (1878) sein, daß ein Gerät ‚lautsprechendes Telephon‘ genannt wurde; es ist auch anzunehmen, wenn auch nicht ganz sicher, daß man aus dieser Bezeichnung den […] Namen ‚Lautsprecher‘ ableitete."[11] Wie Edisons Electromotograph, so werden die Relais-Verstärker im Bereich der Fernmeldetechnik allerdings vorrangig eingesetzt, nicht um ein versammeltes Publikum gleichzeitig mit Schall zu versorgen, sondern um größere Entfernungen überbrücken zu können, um Signalverluste auf längeren Leitungen im Rahmen der One-to-One-Telekommunikation zu kompensieren.
Ein Bedarf nach Public-Address-Anlagen entsteht in größerem Maß erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts, wenn Oskar Messter und andere versuchen, das Medium Film mit dem Medium Sprache und zunächst vor allem Musik technisch zu kombinieren, um das Produkt einem größeren Publikum präsentieren und damit kommerziell verwerten zu können. Die Versuche in dieser ersten Tonfilmphase bis 1914, größere Lautstärken zu erzielen – angefangen bei den synchron betriebenen Grammofonen bis zu den mit Pressluft arbeitenden Megafon-Maschinen –, führen insgesamt nicht zum erhofften Erfolg und die technischen Unzulänglichkeiten der Wiedergabeapparaturen tragen sicher mit zum Scheitern des 10jährigen Versuchs bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs bei, ein neues Medium Tonfilm zu etablieren.[12]
1 | Gerdien 1926: 29. |
2 | Werbeprospekt vom August 1863, eine Seite reproduziert in Reuter 1990: 6. |
3 | Patentschriften US 174465 (angemeldet 14.2.1876) und US 186787 (15.1.1877); zur populären Ausführungsform siehe Titelblatt der Zeitschrift Scientific American vom 6.10.1877, reproduziert in Reuter 1990: 91. |
4 | Zum Beispiel DRP 18435 (3.4.1881), DRP 43196 (4.5.1886); zu frühen elektrostatischen Wandlern siehe auch Mönch 1925: 94-102. |
5 | Mühl-Benninghaus 1999: 22f.; zur Erfindergemeinschaft Tri-Ergon siehe Kittler 2002. Das Statophon wurde von der C. Lorenz AG 1925 auch als Rundfunklautsprecher angeboten (Walter 1925: 436). |
6 | Wente 1917, Trendelenburg 1924. |
7 | Bei dem erstmals auf dem Reichsparteitag 1935 eingesetzten Mikrofon war nur noch die auf einem schmalen Rohr montierte Mikrofonkapsel sichtbar. Das Vorverstärkergehäuse, das bei der Neumann-Flasche noch unmittelbar an die Kapsel anschloss und so dem Kondensatormikrofon seine typische Form gab, konnte nun hinter dem Rednerpult zu Füßen des Redners versteckt werden (Mainka 1935: 584). |
8 | US 149797 (angemeldet 20.1.1874, datiert 25.9.1873), DRP 2355 (14.12.1877); siehe auch Trendelenburg 1975: 19f. und dortige Abb. 7, die einen Nachbau des elektrodynamischen Wandlers zeigt. |
9 | Mönch 1925: Vorwort. |
10 | Zielinski in einem Vortrag am 26.10.1997 im ZKM Karlsruhe, zit. nach Daniels 2002: 92. |
11 | Mönch 1925: 35f., siehe auch Nesper 1925b: 21ff. |
12 | Vgl. Mühl-Benninghaus 1999: 11-20. |